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In Memoriam Jürgen Wuchner

In großer Dankbarkeit verbeugen wir uns vor Jürgen Wuchner, unserem Freund, Begleiter, Lehrer, Förderer und Ideengeber, der am Freitag, den 1. Mai, diese Welt für immer verlassen hat.

Wir sind fassungslos. Es ist schwer in Worten auszudrücken, was er uns und für unseren Jazzverein bedeutet hat. Und dabei wissen wir, er hat es überhaupt nicht gemocht, wenn viel Aufhebens um seine Person gemacht wurde.

Der Mann, der uns so inspirierende Musik geschenkt hat, der mit seiner unaufgeregten Präsenz, seinem Understatement und seinem hintergründigen Witz das Wesen des Jazz vorgelebt hat.

Sein Bass-Spiel, seine Kompositionen, seine Art, eine Band zu führen oder einen Workshop zu leiten, seine Offenheit und Großherzigkeit gegenüber jedermann – das alles floss aus der gleichen tiefen Quelle und hatte die gleiche Substanz. War zu 100 % Jürgen Wuchner.

Er war es, der vielen von uns musikalisch auf die Sprünge geholfen hat, der Anregungen und Hinweise gab, der Beziehungen stiftete, Kontakte anbahnte und so Netzwerke entstehen ließ, die sich oft als die entscheidenden Weichenstellungen in vielen Musiker-Biographien herausstellten.

Sein musikalischer Horizont war weit, reichte vom Rock’n‘Roll seiner Jugend zu freien Jazzformen, vom Bluesfeeling eines Charles Mingus bis zur kubanischen Musik und von dort weiter zu den Griots im Senegal. Er war Partner so vieler legendärer Jazzmusiker gewesen. Nicht wenige von ihnen, die ihm bereits vorausgegangen sind, wie Hans Koller, Harry Beckett, Janusz Maria Stefański und zuletzt Herbert Joos, hat er schmerzlich vermisst und in ehrendem Andenken gehalten.

Alle diese Erfahrungen weiteten en passant die Darmstädter Jazzszene ins Kosmopolitische und waren fühlbar in der Art, wie Jürgen seine pädagogische Arbeit gestaltete, das offene Konzept des Workshops Jazz Conceptions schuf, die Jazz&Pop School mit Uli Partheil gründete. Wie er auch im Programm-Ausschuss des Vereins immer wieder leise Hinweise gab – und manchmal auch klar Stellung beziehen konnte.

Und nicht zuletzt verdankt sich ihm die Geburtsstunde des Vereins zur Förderung des zeitgenössischen Jazz in Darmstadt.

Im Jahr 1996 wurde Jürgen Wuchner der Jazzpreis des Landes Hessen zugesprochen. Diese Auszeichnung sollte im Rahmen des Jazzfestivals Hessisches Jazzpodium verliehen werden. Eine Gruppe von begeisterten Jazzern wollte dieses Festival unbedingt in Darmstadt ausrichten. Um den Auftrag vom Land erhalten zu können, mussten sie sich aber als Verein organisieren. Und so wurden die ersten Vereinsmitglieder aus Jürgens damaliger Workshop-Band rekrutiert. Anne Heß, Frauke Hermann und Uli Partheil bildeten den ersten Vorstand und das Hessische Jazzpodium wurde in diesem Jahr erstmals in Darmstadt abgehalten.

Es sollten noch einige folgen. Und wir nutzten gerne die Gelegenheit, dabei auch immer wieder aufregende Jürgen-Wuchner-Projekte zu präsentieren: von Deep Talking über die United Colors of Bessungen bis zuletzt zum Kontrabassquintett.

Jürgen war es auch, der in unserem Auftrag die Band Outline als musikalische Visitenkarte des Fördervereins leitete und damit sogar das große Publikum beim Bessunger Frühlingserwachen und Heinerfest für die Jazzmusik einzunehmen wusste.

Noch können wir uns nicht vorstellen, wie die Darmstädter Jazzszene und unser Verein ohne die Persönlichkeit von Jürgen Wuchner auskommen sollen. Das ganze Ausmaß des Verlusts werden wir erst nach und nach ermessen können. Sein kontinuierliches leises Wirken aus dem Hintergrund werden wir jedenfalls noch sehr lange schmerzlich vermissen.

Ohne viele Worte zu machen, nur durch seine ruhige Präsenz, seine Art und Weise, in der Welt zu sein, hat er uns unendlich viel gelehrt, nicht nur über die Musik. Wir alle sind dankbar, dass wir die Persönlichkeit von Jürgen Wuchner kennenlernen durften. Seine Großzügigkeit, seine Neugierde, sein Humor bleiben unvergessen.

Wenn diese Eigenschaften in uns weiterklingen, unaufdringlich und unwiderstehlich wie viele seiner Kompositionen, wird auch sein Andenken lebendig bleiben. Danke für alles, Jürgen, wir hören uns!

Michael Bossong